VdK erstreitet Kostenübernahme für Handbike
Aus der Rechtsberatung: Eine Krankenkasse lehnt einen Antrag für ein Handbike ab und empfiehlt stattdessen einen E-Rollstuhl – der Patient, der Multiple Sklerose hat, will nicht zur Passivität gezwungen werden und wendet sich an den VdK.
Sie sollten eine Ablehnung nicht einfach hinnehmen, sondern sich rechtlichen Beistand holen.
Der Fall auf einen Blick
Als Bernd Orth (Name von der Redaktion geändert) merkte, dass seine Kräfte schwanden, beantragte der MS-Patient ein Handbike als Antriebsunterstützung für seinen Rollstuhl. Die Krankenkasse lehnte ab und empfahl einen günstigeren vollelektrischen Rollstuhl. Doch dem 56-Jährigen war wichtig, dass er körperlich aktiv bleibt. Er klagte mit dem VdK Hessen-Thüringen vor dem Sozialgericht Gotha (Az. S 20 KR 347/22) und erhielt das Handbike.
Krankenkasse lehnt das Handbike mit Handkurbel ab
Bernd Orth steht mitten im Leben und ist noch berufstätig. Es ist ihm wichtig, dass er trotz einer Erkrankung an Multipler Sklerose und einer spastischen Lähmung in den Beinen seinen Alltag möglichst unabhängig gestalten kann. Deshalb beantragte er im Juni 2021 bei der Krankenkasse ein elektrisches Rollstuhlzuggerät, auch Handbike genannt, das er an seinen Rollstuhl als Antriebsunterstützung ankoppeln kann.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung konnte Orth sich nur noch über kurze Strecken mit seinem Rollstuhl eigenständig fortbewegen. Die Krankheit hatte dazu geführt, dass sich seine Muskeln zurückbilden. An dem vom Arzt verordneten Handbike lässt sich der elektrische Antrieb regulieren. Mit einer Handkurbel kann er ihn mit seiner noch vorhandenen Muskelkraft unterstützen.
Doch seine Krankenkasse hielt das Handbike für unangemessen und mit mehr als 8000 Euro für zu teuer. Sie lehnte nach kurzer Prüfung ab und empfahl eine günstigere Variante, die vollelektrisch ist.
Kasse lehnt Widerspruch ab
Orth widerstrebte, dass er mit einem E-Rollstuhl „zur Passivität gezwungen“
werden könnte, obwohl er sich bewegen kann. Ein dreitägiger Praxistest mit einem Handbike bestätigte ihn in der Überzeugung, dass er mit diesem Hilfsmittel alle Grundbedürfnisse in seinem Umfeld eigenständig erfüllen kann. Dazu zählen das Einkaufen sowie Fahrten in die Apotheke oder zur Physiotherapie. Sein Arzt attestierte ihm, dass es für ihn sinnvoll ist, eine Handkurbel zu verwenden, auch, um dem Muskelabbau entgegenzuwirken.
Die Krankenkasse erkannte zwar an, dass Orth ein elektrisches Zuggerät braucht, aber eine Ausstattung mit Handkurbel sei nicht notwendig, schrieb sie. Seinen Widerspruch gegen die Ablehnung erkannte sie aber nicht an. Um die Muskeln zu trainieren, schlug sie vor, privat Trainingsgeräte zu kaufen sowie Physiotherapie und Rehasport zu machen.
Dank VdK Recht bekommen
Im März 2022 klagte er mit dem Externer Link:VdK Hessen-Thüringen gegen die Ablehnung. Dann kaufte er sich einige Monate später das Rollstuhlzuggerät mit Handkurbel für 8730 Euro selbst. Beim Sozialgericht beantragte er, dass die Krankenkasse ihm die Kosten erstattet.
Das Gericht gab dem Kläger schließlich nach mündlicher Verhandlung Recht, die Krankenkasse musste die Kosten für das Handbike erstatten. Die Richterin würdigte die Motivation des Klägers, seine körperlichen Fähigkeiten zu erhalten. Ein vollelektrischer Rollstuhl sei nicht altersgerecht und entspreche nicht seiner Selbstständigkeit in anderen Lebensbereichen. Es sei aus psychischen und physischen Gründen nachvollziehbar, dass er eine vollständige Passivität vermeiden wolle.
Die Richterin kam zu dem Schluss, dass das Handbike für den Kläger das angemessene Hilfsmittel ist, um sich den Nahbereich zu erschließen und die Behinderung auszugleichen.
Dimitar Mitev, der als juristischer Referent beim VdK Hessen-Thüringen das Klageverfahren betreute, ermutigt Menschen, die sich in einer vergleichbaren Lage wie Orth befinden: „Sie sollten eine Ablehnung nicht einfach hinnehmen, sondern sich rechtlichen Beistand holen.“
Für Orth hat er ein Lob parat. „In seinem Fall haben wir davon profitiert, dass er von Anfang an gut informiert war und ein wichtiges Gutachten von seinem Behandler in das Verfahren eingebracht hatte.“